Am 21. Juli beging Condrobs in Würzburg gemeinsam mit der Jugend- und Drogenberatung der Stadt den jährlichen Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher*innen. Am Vierröhrenbrunnen in der Würzburger Innenstadt waren tiefbewegende Abschiedsbriefe angebracht, um an die Verstorbenen zu erinnern. Mit einer Menschenkette wurde zudem auf drängende Änderungen in der Suchtmittelpolitik aufmerksam gemacht. In einer gemeinsamen Rede wurden Themen wie die Schaffung von Konsumräumen, der notwendige Ausbau von Substitutionsbehandlungen oder die Entstigmatisierung drogengebrauchender Menschen deutlich angesprochen.
Heute ist der Tag, an dem wir allen verstorbenen drogengebrauchenden Menschen gedenken möchten. Seit 25 Jahren besteht dieser Tag, der sich zu einem internationalen Gedenktag in vielen Ländern fest etabliert hat, bereits.
Nach offiziellen Angaben sind in diesen 25 Jahren mehr als 34.000 drogengebrauchende Menschen bundesweit verstorben. Die Dunkelziffer sowie die Menschen, die an den Folgen des Drogenkonsums versterben, dürfte weitaus höher sein.
Jeder Tod eines drogengebrauchenden Menschen ist einer zu viel. Diese hohe Zahl ist einer Drogenpolitik geschuldet, die Kriminalisierung sowie Ausgrenzung fördert und gefördert hat. Der Bedarf an niedrigschwelligen Angeboten sowie einer Änderung der Drogenpolitik wurde leider erst in den letzten Jahren erkannt.
„Danke, dass ihr uns die Möglichkeit gegeben habt, Abschied nehmen zu können.“ [Ein Klient nach den Gedenkfeierlichkeiten]
Jeder Tod eines drogengebrauchenden Menschen ist einer zu viel. Mit den richtigen Hilfen hätte vielen der Menschen geholfen werden können. Nach wie vor drängend ist das Thema Konsumräume. Trotz der wiederholten Absage des Freistaats Bayern lassen wir nichts unversucht, um die dringend notwendige Umsetzung zu forcieren. Auch der eklatante Mangel an Substitutionsbehandlungen – vor allem im ländlichen Raum – wird in aller Deutlichkeit angesprochen werden. Ziel muss es sein, Menschen mit Suchtmittelgebrauch durch geeignete Maßnahmen wieder in die Gesellschaft zu integrieren und nicht, sie weiter auszuschließen.
Die Legalisierung von Cannabis ist ein erster Schritt!
Immer noch sind durch Kriminalisierung und den dadurch existierenden Schwarzmarkt schwer messbare Qualitätsschwankungen und lebensbedrohliche Beimischungen viele Todesfälle durch Überdosierungen zu beklagen. Die flächendeckende Möglichkeit von Drug-Checking würde hier helfen!
Positiv hervorzuheben ist die steigende Zahl an Substituierten in den letzten 25 Jahren. Die Zahl hat sich seitdem auf heute ca. (81.300) erhöht. Der Fortbestand der entsprechenden Praxen ist jedoch aufgrund steigenden Alters vieler behandelnder Ärzte und Ärztinnen und fehlender junger Mediziner*innen, die die Praxen übernehmen, stark gefährdet. Die Ausübung der Substitution muss dringend attraktiver gestaltet werden. Eine Ausweitung der verschreibungsfähigen Substitutionsmittel wäre wünschenswert.
Auch positiv hervorzuheben ist, dass niedrigschwellige und voraussetzungslose Angebote auf Grundlage eines Leitbilds mit akzeptierender Arbeit, wie es das Kontaktcafé ist, in vielen Städten eine feste Komponente der Suchthilfe geworden sind. Die sichere Finanzierung solcher Angebote muss fester Bestandteil der Gesundheitshilfeplanung sein.
„Alle, die ich gekannt habe, habe ich namentlich aufgeschrieben. Aber die Liste könnte noch viel länger sein.“ [Ein Klient beim Aufschreiben von #Dufehlst]
Jeder Tod eines drogengebrauchenden Menschen ist einer zu viel. Wir sollten dafür Sorge tragen, dass Perspektiv- und Hilflosigkeit nicht zu Überdosierungen und Todessehnsucht führt. Wir wünschen uns deshalb schnell verfügbare und zielorientierte Hilfsangebote für chronisch suchtkranke Menschen. Wir wollen ein Hilfesystem vorhalten, das gezielte Hilfen für alle bedürftigen Menschen anbietet. Unser Ziel muss es sein, Todesfälle von drogenkonsumierenden Menschen zu vermeiden
Es ist unser aller Aufgabe und Verantwortung, unser Hilfesystem sowie unsere Haltung diesen Menschen gegenüber zu verändern! Ziel muss es sein, drogenkonsumierenden Menschen bessere Lebensumstände und Perspektiven zu ermöglichen. Dies gelingt durch eine Änderung der Haltung, Anerkennung der Sucht als chronische Erkrankung sowie Ausweitung von Beratungs- und Anlaufstellen. Wir brauchen eine zieloffene Suchthilfe mit verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten und unkomplizierten Zugängen.
„Es war für mich ein schöner und emotionaler Tage mit einem lachenden und einem weinenden Auge.“ [Julia Abler, Sozialpädagogin im Kontaktcafé Würzburg]
Noch immer werden häufig Menschen, die Drogen konsumieren stigmatisiert, ausgegrenzt und das Problem in der Person selbst verankert. Ich denke alle Menschen, die Drogen konsumieren oder konsumiert haben, haben schon einmal den Satz gehört „Dann hör doch einfach auf, wenn du nicht mehr willst“.
Wer kennt es nicht, das Gefühl, wenn etwas, was wir täglich konsumieren, z.B. Kaffee, Tee, Schokolade, auf einmal wegbricht und/oder nicht mehr konsumiert werden soll. Und wir alle wissen, wie schwer es manchmal ist, schon einer leckeren Sahnetorte oder einer Zigarette zu widerstehen, auch wenn wir wissen, dass sie nicht gut für uns ist. Wir wollten uns also gar nicht vorstellen, wie es sein muss, Drogen zu widerstehen, wenn man chronisch suchtkrank ist, also wenn man weiß, gleich werde ich massive Schmerzen haben, meine psychische Verfassung wird sich jetzt gleich verändern, und zwar nicht zum Besseren.
Sucht geht uns alle an!
Lassen Sie uns also gemeinsam hinschauen und die Menschen in unsere Gesellschaft integrieren, anstatt sie auszuschließen. Lassen sie uns den Menschen entsprechende Hilfe anbieten, die sie dazu benötigen, damit es ihnen gelingt Probleme zu überwinden und Hoffnung sowie Perspektiven zu entwickeln.
„Wo Leben ist, da ist Hoffnung – und unser Ziel in der Drogenpolitik sollte darin bestehen, diese Hoffnung am Leben zu erhalten, indem wir Drogengebrauchende am Leben halten!“ [Heather Brook von der australischen Flinders University]
Es sind geliebte Partner*innen, Geschwister, Eltern, Kinder und Freund*innen, die am Gebrauch von Drogen und aufgrund von Perspektiv- und Hilflosigkeit versterben. All diese Menschen möchten wir gedenken.